Auch eine Enteignung darf kein Tabu sein
Es macht mich nachdenklich, wenn Zehntausende Menschen aus Angst vor dem Verlust der eigenen Wohnung auf die Straße gehen. Das Recht auf Wohnen ist ein international verbrieftes Menschenrecht. Um dieses Menschenrecht umzusetzen, braucht es aber eine ausreichende Zahl von Wohnungen in allen Preisklassen. Für mich ist es nicht hinnehmbar, dass diese Grundvoraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft in Frankfurt und vielen anderen Städten Deutschlands nicht mehr gegeben ist.
Der freie Markt hat versagt
Viele Jahre dachten die Politikerinnen und Politiker, dass der freie Markt schon eine angemessene Wohnungsversorgung der Bevölkerung sicherstellen wird. Es ist ja kein Zufall, dass große Wohnungsgesellschaften wie Deutsche Wohnen und Vonovia ihren umfangreichen Wohnungsbestand dem Kauf von Wohnungen verdanken, die ehemals Städten, Bundesländern oder dem deutschen Staat gehörten. Der Verkauf dieser Wohnungsbestände war ein großer Irrtum.
Die Diskussion um eine Enteignung nach §14 des Grundgesetzes oder eine Vergesellschaftung nach §15 des Grundgesetzes hat also keineswegs eine simple Entrechtung von vielen tausend privaten Vermietern im Blick – wie es wirtschaftsliberale Kreise aus CDU und FDP gerne als Schreckgespenst an die Wand malen, sondern soll Gesellschaften wieder auf die richtige Spur bringen, die ihren Reichtum auf Besitz gründen, der ehemals der Bevölkerung gehörte. Und zwar nachdem die Gesellschaften der übertragenen Verantwortung nicht gerecht geworden sind.
Natürlich ist eine Enteignung oder eine Vergesellschaftung immer das letzte Mittel, um Schaden von den Menschen in unserem Land abzuwenden. Es ist aber auch nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich etwas dabei gedacht, als sie die Artikel 14 und 15 eingefügt haben.
Wenn die großen Wohnungsbaugesellschaften nicht zur Vernunft kommen und einen angemessenen Ausgleich zwischen ihrem berechtigten Gewinnstreben und den verfassungsmäßig garantierten Mieterinteressen finden, provozieren sie selbst die öffentliche Debatte über eine Enteignung, auch wenn dies nur der letzte Ausweg sein kann.
Genossenschaften und kommunale Wohnungsbauunternehmen sichern günstige Mieten
Genossenschaften und kommunale Wohnungsbauunternehmen haben bewiesen, dass sie in der Lage sind, dauerhaft akzeptable Mieten zu realisieren. In Frankfurt ist und bleibt die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG mit ihren 52.000 Wohnungen eine Garantin für günstige Mieten und wirkt dämpfend auf die im Mietspiegel ermittelten ortsüblichen Vergleichsmieten. Die verlangten Quadratmeterpreise der ABG liegen sowohl bei Bestandsmieten als auch bei Neuvermietungen deutlich unter den Preisen des sonstigen Wohnungsmarktes. Es war richtig und wichtig, dass die Verantwortlichen in Frankfurt den eigenen Wohnungsbestand nicht wie andere Städten verkauft haben! Die SPD ist damals als altmodisch beschimpft worden, aber die Einwände der Frankfurter SPD haben sich im Nachhinein als völlig berechtigt erwiesen.
Bund, Länder und Kommunen müssen konsequent handeln
Bevor aber wirklich über mögliche Enteignungen entschieden wird, sollten Bund, Länder und Kommunen zunächst einmal die vorhandenen Möglichkeiten nutzen Dazu gehört natürlich der konsequente Verzicht auf eine weitere Privatisierung von Wohnungen und auf den Verkauf von Grundstücken der öffentlichen Hand. Dazu zähle ich ausdrücklich auch den Verkauf von Grundstücken öffentlicher Gesellschaften wie der Deutschen Bahn.
Grund und Boden, der den Bürgerinnen und Bürgern gehört, darf grundsätzlich nur in Erbpacht und im Rahmen einer Konzeptvergabe abgegeben werden. Genossenschaften und öffentliche Wohnungsbaugesellschaften sind dabei zu bevorzugen.
Die Bundesregierung kann zudem die Mietpreisbremse weiter schärfen und z.B. auch bei Neuvermietungen die ortsübliche Vergleichsmiete als absolut gültige Obergrenze einführen. Wenn dann noch alle Bestandsmieten in die Berechnung des Mietspiegels einbezogen werden, wäre schon viel erreicht. Wünschenswert wäre zudem eine Neufassung der Regelungen zum Milieuschutz zu einem echten Mieterschutzgesetz.
Das Land Hessen sollte die Gültigkeit der Mietpreisbremse auf den gesamten Ballungsraum Frankfurt/ Rhein-Main ausdehnen, sowie endlich wieder ein Zweckentfremdungsverbot und den Genehmigungsvorbehalt bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einführen – und zwar nicht nur in Milieuschutzgebieten.
Auch Frankfurt kann handeln
Aber auch die Stadt Frankfurt kann noch viel konsequenter handeln, als dies die politischen Mehrheiten bisher zulassen. So sollten die Gebiete mit Milieuschutzsatzungen konsequent ausgedehnt werden und die daraus resultierenden Vorkaufsrechte nachdrücklich genutzt werden. Hier muss man auch Gerichtsverfahren riskieren. Neues Baurecht wird nicht mehr ohne Gegenleistung geschaffen, die Allgemeinheit muss von den Bodenwertgewinnen angemessen profitieren. Ich bevorzuge die Übereignung eines Teils der Grundstücke, die dann wieder im Rahmen der obligatorischen Konzeptvergabe vornehmlich an Genossenschaften oder die städtische Wohnungsbaugesellschaft in Erbpacht vergeben werden. Natürlich müssen sich auch die von der Stadt verlangten Erbbauzinsen für Wohnbaugrundstücke dem Oberziel der Schaffung preiswerten Wohnraums anpassen. Eine Senkung der bisher üblichen 2,5 Prozent vom Bodenwert ist wünschenswert, eine Erhöhung dieses Satzes verbietet sich.
Natürlich müssen wir auch die personellen Ressourcen bereitstellen, um Mieterinnen und Mieter konsequent zu schützen. So ist bei der Überwachung der Milieuschutzsatzungen oder der Bekämpfung windiger Spekulationen aber die Stadt gefragt. Die Schaffung der Stabsstelle Mieterschutz ist dafür ein wichtiger Schritt gewesen. Ich habe den Eindruck, dass Baudezernent Jan Schneider (CDU) bestehende Vorkaufsrechte nicht konsequent nutzt, das muss sich ändern.
Die verfehlte Wohnungspolitik wirkt sich natürlich auch in ländlichen Gebieten aus. Mietpreise jenseits von Gut und Böse in Miniorten ohne vernünftige Infrastruktur sind die Regel.
Liebe Frau Bergemann,
das stimmt leider – zumindest im Großraum Rhein-Main. Abseits der Ballungsgebiete sieht das auch schon wieder anders aus. Die schwarzgrüne Landespolitik hat den ländlichen Raum kaputtgespart. Er ist für Hessen jedoch genauso wichtig wie die Städte. Die CDU und Grünen sollten sich auf Landesebene dafür einsetzen, dass er nicht weiter abgehängt wird. Dafür müssten unter anderem die Verkehrsanbindungen verbessert werden, also die Infrastruktur modernisiert und ausgebaut werden. Es sollte darüber hinaus auch dafür gesorgt werden, dass alle Generationen von jung bis alt gut auf dem Land leben und sich auch die Mieten leisten können. Deswegen Augen auf bei der nächsten Landtagswahl im Jahr 2023. ?
Mit freundlichen Grüßen,
die Geschäftsstelle der SPD-Fraktion im Römer