Das Corona-Virus macht Laura und Stefan das Leben zur Hölle. Sie kommen nun kaum noch aus der Wohnung raus. Die Kinder toben den ganzen Tag schreiend durch die Bude. Laura soll wie immer den Haushalt führen, während Stefan auf einmal nur noch auf der Couch sitzt und sich Filme anschaut. Er wurde von seiner Firma in Kurzarbeit geschickt und muss nur noch einmal die Woche zur Arbeit fahren. Er sitzt also den ganzen Tag zu Hause rum, kann weder zur Arbeit noch abends in die Bar um die Ecke. Auch in dieser Situation lässt er seine schlechte Laune an der Familie aus. Laura wird das alles zu viel. Sie ist überfordert. Auch sie kann sich gerade nicht mit ihren Freundinnen treffen und dem Familienalltag einfach mal für ein paar Stunden entfliehen. Gestern Abend ist es dann wieder mal passiert. Laura musste in die Notaufnahme einer Frankfurter Klinik, da sie eine Platzwunde über dem Auge hat…
Häusliche Gewalt gegen Frauen
Ich finde es erschreckend, dass in Deutschland 80 Prozent der Frauen schon einmal im Leben Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt geworden sind. So ist es auf den Seiten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nachzulesen. Die Betroffenen erleben Gewalt unabhängig von ihren Lebenssituationen, Einkommensstufen oder Bildungsabschlüssen. Die Gefahren, denen Frauen ausgesetzt sind, sind für Kinder in der Familie genauso verheerend. Sobald es Gewalt in der Familie gibt, trifft es die Schwächsten besonders hart. Beschränkte Ausgangsmöglichkeiten und die Tatsache, dass der Täter nun ständig zu Hause ist, machen es für Betroffene jetzt noch schwieriger Hilfe zu rufen. Jetzt, wo die Treffen mit der besten Freundin oder dem besten Freund, das Gespräch mit der Nachbarin oder dem Nachbarn wegfallen, werden solche Gewalttaten sehr wahrscheinlich noch seltener von außen wahrgenommen. Die Gefahr solcher Angriffe hinter verschlossener Tür nimmt also zu. Das befürchten Verbände, die sich in Fällen von häuslicher Gewalt um die Opfer kümmern. In China und Italien zeigt sich, dass die Übergriffe bereits zugenommen haben. China meldete Anfang März, dass sich während der Corona-Quarantänemaßnahmen dreimal so viele Frauen an die Beratungsstellen für Betroffene von häuslicher Gewalt gewandt haben, als in einem vergleichbaren Zeitraum vor der Quarantäne.
Was bedeutet Corona für Einrichtungen wie Frauenhäuser und Co.?
Für viele Vereine ist die Corona-Krise eine besondere Herausforderung. Es gibt kaum noch persönliche Beratungen, da viele Mitarbeiterinnen aus Sorge vor dem Virus im Homeoffice sind. Sie versuchen über digitale Wege und Telefonate, den Kontakt mit den Betroffenen aufrechtzuerhalten. Ein Anstieg an Beratungsbedarf wäre für die Einrichtungen so kaum zu schaffen. Sie arbeiten ohnehin schon am Limit, denn wie oft fehlt es an finanziellen und personellen Ressourcen.Die knapp über 350 Frauenhäuser in Deutschland sind laufend unterfinanziert und überbelegt.
Ein weiteres Problem ist, dass sich viele Betroffene – häufig obdachlose oder geflüchtete Frauen – gar nicht erst über Anlaufstellen und Schutzräume durch Medien und Behörden informieren können. Viele sprechen auch kein Deutsch.
Ich befürchte, dass es durch die bereits angespannte Situation in den Frauenhäusern kaum Möglichkeiten geben wird, die Frauen jetzt aus der häuslichen Umgebung zu holen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn auch noch ein Frauenhaus wegen eines Krankheitsfalls unter Quarantäne gestellt wird und deswegen keine neuen Frauen aufnehmen kann. Dann hätten wir noch weniger Platz bei einem gleichzeitig noch größeren Bedarf.
Lösungsmöglichkeiten – was kann gegen den Andrang in Frauenhäusern getan werden?
Viele Ideen haben wir in unseren Haushaltanträgen für die Jahre 2020 und 2021 eingebracht. Vor allem wollen wir dafür sorgen, dass auch auf kommunaler Ebene die so genannte Istanbul-Konvention konsequent umgesetzt wird. Bei dieser dient das Übereinkommen des Europarats der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Ich hoffe, dass der Haushalt trotz Corona schnell beschlossen wird – das Thema scheint aktueller zu sein, denn je…
- Wir finanzieren 37 zusätzliche Frauenhausplätze in Frankfurt. Für jede Frau, egal ob mit oder ohne Einkommen, egal ob mit Anspruch auf Sozialleistungen oder ohne. Frauenhäuser sind stets überlaufen. Mit den neuen Verhaltensregeln der Corona-Krise wird sich die Situation weiter zuspitzen. Die Plätze stehen jeder Frau zur Verfügung.
- Wir sorgen dafür, dass die Dolmetscherinnen für ihre wichtige Arbeit bei Beratungsgesprächen per Telefon oder in Frauenhäusern vor Ort bezahlt werden. Die Dolmetscherinnen kommen aus einem ehrenamtlichen Dolmetscherinnenpool vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt. Gerade, weil wir in der Krise soziale Kontakte vermeiden sollen, finden Beratungsgespräche immer häufiger übers Telefon statt.
- Wir unterstützen finanziell die Onlineberatung des FEM Mädchenhauses in Frankfurt, die sich speziell auf die Beratung von Mädchen und jungen Frauen konzentriert, die sich bedroht fühlen oder Gewalt erleben.