Wo bleibt „die Hälfte der Welt“ für die Frauen?
Vor 100 Jahre sprach erstmals eine Frau in einem deutschen Parlament. Ich finde es wichtig, an diesen historischen Moment und die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zu erinnern. Gleichzeitig müssen wir uns vor Augen halten, dass in Sachen Gleichstellung leider noch immer einiges zu tun ist. Am 19.Februar 1919 stellte die Sozialdemokratin Marie Juchacz klar, dass das was die damalige Regierung getan hatte, eigentlich eine Selbstverständlichkeit war, nämlich den Frauen zu geben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten wurde, das Rederecht. Juchacz schrieb Geschichte, denn sie hielt als erste Frau überhaupt eine Rede im deutschen Parlament.
Gleichberechtigung nur auf dem Papier
Seitdem hat sich viel getan und trotzdem wünsche ich mir, dass Frauen endlich nicht nur auf dem Papier als gleichberechtigt angesehen werden. Dazu gehört auch, dass sie ihre Rechte selbstverständlich einfordern können. Noch haben wir die Geschlechtergerechtigkeit in der Praxis nicht erreicht – ich denke da zum Beispiel an die nicht erfüllte Forderung: “Gleiches Geld für gleiche Arbeit”. Auch sehe ich noch viel zu tun, wenn ich auf die Positionen von Frauen in Unternehmen blicke. Im Vorstand der 30 größten und umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands liegt der Frauenanteil bei nur 12,1 Prozent. Das ist ganz sicher kein Spiegel der Gesellschaft. Deshalb dürfen wir nicht den Fehler machen, uns auf den Errungenschaften der letzten 100 Jahre auszuruhen. Nur weil die Gleichberechtigung in der Verfassung festgehalten ist, bedeutet das noch lange nicht, dass diese auch tatsächlich gelebt wird.
Frauen sollten immer selbst über ihren Körper bestimmen dürfen
Besonders deutlich wird das fehlende Recht zur Selbstbestimmung bei der Frage von Schwangerschaftsabbrüchen. Diese haben bereits vor 100 Jahren zu dramatischen Situationen, zu Not, Straffälligkeit und sogar zum Tod unzähliger Frauen geführt. Bis heute haben wir es nicht geschafft, Frauen mit der Abschaffung des Paragraphen 219a in ihrer Selbstbestimmung zu stärken. Ich frage mich wie viele Jahre noch vergehen müssen, ehe wir auch hierbei von realer Gleichberechtigung sprechen können.
Marie Juchacz’ Themen sind auch die Themen der SPD
Die Sozialdemokratin Marie Juchacz setzte sich, bereits seit ihrem Eintritt in die SPD 1908, politisch für Frauen- und Arbeiterrechte ein. Im Jahr ihrer fulminanten Rede gründete sie den Sozialverband Arbeiterwohlfahrt, inzwischen einer der größten Träger sozialer Arbeit in Deutschland. Sie rief damit zu Solidarität und zu sozialer Gerechtigkeit auf. Marie Juchacz’ Themen sind Kernthemen der SPD, die uns auch heute noch beschäftigen. Ich finde es essentiell und richtig, weiter an der alten Forderung festzuhalten, dass die Hälfte der Welt uns Frauen gehört.