Frau. Mutter. Arbeitnehmerin. Hausfrau: Das sind nur ein paar der Rollen, in die wir Frauen täglich schlüpfen und denen wir allen gleichzeitig gerecht werden müssen. Gerade in Zeiten einer Krise zeigt sich, dass vor allem Frauen einen Spagat zwischen Kindererziehung, Haushalt und ihrer normalen Arbeit hinbekommen müssen und somit sehr viel Last auf ihren Schultern liegt. Wir kämpfen für die Rechte der Frauen und wollen, dass Männer und Frauen gleichgestellt sind. Aber gerade in Zeiten der Not verfallen wir schnell wieder in alte Rollenmuster: Die Frau bleibt daheim und der Mann bringt das Geld nach Hause.
Sind alte Rollenmuster genetisch veranlagt?
Ich frage mich, wieso das so ist: Ist es wirklich die Genetik – also die Frau als „Versorgerin in der Höhle“, während der Mann als „Jäger und Sammler“ draußen unterwegs ist? Hat es etwas damit zu tun, dass die Wirtschaft noch immer hauptsächlich von alten, weißen Männern bestimmt wird? Warum haben wir aus vergangenen Krisen und ähnlichen Situationen nichts gelernt? Ist unsere Stimme zu schwach? Oder gibt es andere Gründe dafür, dass es immer noch keine tatsächliche Gleichbehandlung zwischen Mann und Frau gibt?
Versuchen wir die Krise mal aus Sicht der Frauen zu betrachten…
Frauen halten den Laden am Laufen
Mitte März schlossen die Schulen und Kitas und das öffentliche Leben wurde heruntergefahren. Wir sollten, wenn möglich, zu Hause bleiben und soziale Kontakte vermeiden. Das hat vor allem Eltern von minderjährigen Kindern hart getroffen. Von heute auf morgen musste geschaut werden: Wer passt auf die Kinder auf, wie wird der Heimunterricht organisiert und was passiert mit den eigentlichen Jobs? Dabei sind es meistens die Frauen, die sich dann um die Kinder und Angehörige kümmern. Sie spielen Ersatzlehrerin, schmeißen neben ihrem eigenen Homeoffice den Haushalt und sind rund um die Uhr im Einsatz für die Familie. Diese sogenannte Sorgearbeit (ˌCareˈ-Arbeit) ist ungleich verteilt. In normalen Zeiten kümmern sich Frauen täglich durchschnittlich rund 1 ½ Stunden länger um die Arbeit im Haushalt und der Familie als Männer. In Zeiten wie der Corona-Krise führt die Übernahme von noch mehr Aufgaben zu noch mehr Belastung der Frauen.
Sorgearbeit ist Frauensache
Frauen sind im Vergleich zu Männern vermehrt in sogenannten systemrelevanten Berufen tätig, also in der Pflege, in Krankenhäusern, in Praxen, in Kindertagesstätten und im Lebensmittelhandel. In Zeiten von Corona wurden gerade diese Berufsgruppen als Heldinnen und Helden des Alltags bezeichnet, denn sie sind in solchen Krisen von Anfang an einem höheren gesundheitlichen Risiko ausgesetzt, weil sie weiter ganz normal ihrer Arbeit nachgehen müssen. Wir haben einmal mehr gemerkt, wie wichtig diese Berufsgruppen sind und haben erneut festgestellt, dass es diesen Personen nichts bringt, als Zeichen der Dankbarkeit beklatscht zu werden oder Blumen geschenkt zu bekommen, aber beispielsweise keine Bonuszahlungen oder gar ein höheres Gehalt zu bekommen.
In Familien sind es zudem meistens die Frauen, die zu Hause bleiben und die Sorgearbeit leisten. Warum ist das so? Oft steckt ein einfacher Grund dahinter: Geld. Da sich eher Frauen in schlechter bezahlten Angestelltenverhältnissen befinden, in Teilzeit arbeiten oder einen Minijob haben, fällt die Entscheidung darauf, wer zu Hause bleibt – nach finanziellen Abwägungen – dann auch heutzutage auf die Frau.
Ein Rückfall in alte Schemata bedeutet weniger Geld für Frauen
Nach einer Krise sind es auch wieder die Frauen, die stärker von den Ausmaßen betroffen sind als die Männer. Sprich, sie sind es, die dann wieder weniger Geld und finanzielle Ansprüche haben. Auch das ist ganz einfach zu erklären: Frauen arbeiten in Zeiten der Krise weniger und sorgen sich vor allem um die Familie. Das bedeutet, dass sie weniger Gehalt bekommen. Langfristig heißt das auch, dass sie weniger Rente erhalten und sich potentielle Karrieremöglichkeiten verbauen. Diese Lohnlücke könnte sich in Zukunft weiter vergrößern, wenn die Folgen der Corona-Krise noch länger anhalten. Alte Strukturen, die wir seit langem aufzubrechen versuchen, verfestigen sich wieder. Ich befürchte, dass die Krise die Unterschiede zwischen Frauen und Männern in vielen Bereichen wieder vergrößern wird und wir einen Rückfall in veraltete Rollenbilder erleben.
Wie holen wir Frauen aus diesen Rollen raus?
Eine Veränderung kann unbequem sein – vor allem für diejenigen, die ihre eigene Position gefährdet sehen. Aber nur eine Bewertung der Krise von unterschiedlichen Seiten sorgt dafür, dass auch die Lebenswirklichkeit der Frauen die nötige Beachtung erhält.
Wie ich bereits erklärt habe, leisten Frauen auch ohne eine Krise nach wie vor überwiegend die Sorgearbeit und verzichten auf eine Karriere. Hierfür gibt es verschiedene Gründe.
- Häufig ist die Betreuung der Kinder nicht umfangreich gesichert. Es muss also ausreichend Betreuungsangebote geben, so dass auch Frauen ihren Jobs normal nachgehen können.
- Die Leistungen der Berufsgruppen, die die Gesellschaft in Zeiten einer Krise am Laufen halten, müssen anerkannt werden. Dabei kann es jedoch nicht nur beim Klatschen oder bei Blumen, also bei einer symbolischen Anerkennung bleiben. Mit Klatschen oder Blumen kann man keine Kinder betreuen oder seine Miete bezahlen. Die Löhne müssen also dringend angepasst werden. Da es sich dabei häufig um Bereiche handelt, in denen vor allem Frauen tätig sind, würden sie also automatisch von einer finanziellen Anpassung profitieren.
- Generell aber muss immer bei allen Jobs, Unternehmen, Branchen, etc. gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
Mehr zu dem Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Frauen“ kann hier nachgelesen werden.
Auf das gesamte Thema, dass Frauen während der Corona-Krise zu kurz kommen, wird übrigens auch mit dem Hashtag #stattblumen aufmerksam gemacht. Mehr dazu unter: https://www.gleichberechtigung-statt-blumen.de/.