Es ist lediglich die Spitze des Eisbergs und trotzdem schlagen diese Zahlen mitten in der Corona-Krise mit voller Wucht ein: 800 Stellen sollen bei Sanofi im Industriepark Frankfurt-Höchst gestrichen werden – das sind über 10% der dortigen Arbeitsplätze. Zudem sollen 5.000 Stellen bei Continental an vier Betriebsstätten abgebaut werden, einem Werk droht die komplette Schließung! Diese dramatischen Ankündigungen bedeuten nicht nur eine unklare Zukunft für die direkt betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Familien. Die Folgen des Abbaus werden sich auf das komplette Rhein-Main-Gebiet auswirken. Und damit nicht genug: Die gestrichenen Stellen ziehen weitere Stellenkürzungen und Schließungen in anderen Branchen nach sich!
Stellenabbau bei Sanofi
Der französische Mutterkonzern des Pharmaunternehmens Sanofi Deutschland GmbH hat eine komplette Neuausrichtung beschlossen: Der Forschungsschwerpunkt der Diabetologie und so auch die Produktion von Insulin sollen weichen. Stattdessen soll der Schwerpunkt jetzt auf dem Bereich der Immunologie liegen. Das trifft den Standort Höchst hart, der mit seinem Insulin auf Platz fünf der weltweit umsatzstärksten Medikamente lag. Es ist verständlich, wenn im Industriepark Höchst nun die Angst vor dem Stellenabbau umgeht. Betroffen sind alle Bereiche – von der Forschung über die Produktion bis hin zur Verwaltung. Wenn nicht mehr in die Insulinforschung in Frankfurt-Höchst investiert und die Forschung nicht weiter vorangetrieben wird, befürchte ich, dass andere Standorte schnell im Vorteil sein werden. Ein solcher Stellenabbau wäre nicht nur eine Katastrophe für alle Betroffenen. Auch im Wettbewerb zu anderen Städten würden wir ins Hintertreffen geraten. Bislang war Frankfurt auf diesem Gebiet hervorragend aufgestellt. Die ganze Rhein-Main-Region würde durch solch einen drastischen Arbeitsplatzverlust enorm an Attraktivität einbüßen. Dazu kommt: Der geplante Stellenabbau erfolgt aus wirtschaftlich-taktischen Gründen – es ist nicht etwa die blanke Not, die Sanofi dazu treibt. Eher der Wunsch, die Geschäftsgewinne nicht zu schmälern, auch wenn man dafür Arbeitsplätze opfern muss. Umso dringender müssen wir uns klar für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen.
Auch anderen großen Industrieunternehmen drohen Stellenkürzungen
Schlimm ist auch, dass Sanofi nicht das einzige Industrieunternehmen ist, dem ein Stellenabbau droht. Noch ist die Stimmung in der hessischen Pharmaindustrie im Vergleich zu anderen Industriebranchen ausgesprochen gut. Ich habe den Eindruck, dass durch die Coronakrise die Spitze des Eisbergs nur deutlicher zum Vorschein gekommen ist. Die Probleme bestanden vorher schon, konnten aber noch überspielt werden. Durch Corona und den jetzigen Einbruch des Exports und Imports, durch gestörte Lieferketten oder den Einbruch der Aufträge kämpfen viele Branchen gegen Umsatz- und Beschäftigungsrückgänge. So sieht der wirtschaftliche Ausblick in Hessen für das Jahr 2020 sehr düster aus. Im Frühsommer planten insgesamt 32 Prozent der Hessischen Unternehmen eine Reduzierung der Beschäftigtenzahl. Davon betroffen ist vor allem auch der Bereich des Fahrzeug- und Maschinenbaus. So kündigte der Autozulieferer Continental einen enormen Stellenabbau an. Der Konzern beschäftigt in Hessen mehr als 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Neben der angekündigten Schließung des Werks in Karben ist auch der größte hessische Standort im Frankfurter Stadtteil Rödelheim vom drohenden Abbau an Arbeitsplätzen betroffen. Die Probleme, die der Autozulieferer hat, bestehen jedoch nicht erst seit Corona. So ist die Umstellung in der Automobilbranche auf zeitgemäßere Technik, wie beispielsweise das vermehrte Einsetzen neuster digitaler Technik und der Dekarbonisierung – also der Umstellung auf Elektroantrieb – schon seit Längerem eine riesige Herausforderung für das Unternehmen. Traditionelle Arbeitsabläufe müssten anderweitig gestaltet werden oder fallen eben komplett weg. Eigentlich eine klassische Managementaufgabe, die Entwicklungen am Markt und in der Technik zu verfolgen und am Puls der Zeit zu bleiben. Wenn das nicht gelingt, leiden aber zunächst die Beschäftigten darunter – und nicht die dafür Verantwortlichen in der Chefetage!
An der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Als Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker können wir nicht die Europa-, Bundes- oder Landespolitik bestimmen. Wir müssen die Instrumente nutzen, die wir vor Ort haben. Neben der Solidarisierung mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fordern wir deshalb von Frankfurt aus die schwarz-grüne Landesregierung dazu auf, sich endlich entschieden dem Verlust von Arbeitsplätzen und der Schließung von Werken entgegenzustellen. Die Industriebranche ist ein wichtiger Wirtschaftsmotor für unsere Region und nicht wegzudenken. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nicht zu weiteren Opfern der Coronakrise werden. Sie brauchen einen sicheren Arbeitsplatz – auch und gerade in Zeiten der Pandemie!
Wenn Kurzarbeit nicht ausreicht, könnten – bevor Stellen komplett abgebaut werden –beispielsweise die Arbeitszeiten reduziert werden. Die Unternehmen sollten die Phasen der Unterauslastung auch nutzen, um die Beschäftigten zu qualifizieren. Hier wären Angebote des Bundes und des Landes sehr willkommen. Unterstützend dazu muss sich auch Wirtschaftsdezernent Markus Frank endlich darum kümmern, dass sich mehr Industrieunternehmen in Frankfurt ansiedeln und so die Arbeitsplätze in dieser Branche eher ausgebaut statt abgebaut werden.
Es gibt zum Glück immer noch viele Unternehmen, die sich ihren Beschäftigten verpflichtet fühlen und nur dann über Arbeitsplatzabbau nachdenken, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Unsere Solidarität gilt den betroffenen Unternehmen, mit denen wir – zusammen mit der SPD Hessen, der Gewerkschaften IG-Metall und Ver.di – an der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen. Gemeinsam unterstützen wir sie im Kampf um ihre Arbeitsplätze und gegen die Schließung der Werke. Wenn wir verhindern wollen, dass die Folgen von Corona wirtschaftlich und sozial viele Existenzen zerstören, Familien entwurzeln und Arbeitsplätze dauerhaft vernichten, müssen wir zusammenstehen. Wir fordern alle auf, sich für eine sichere Zukunft von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einzusetzen – es geht um die Zukunft unserer Region!
Einen besonderen Erfolg im Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen konnte die SPD in Frankfurt vermelden. Vor allem durch den besonderen Einsatz unseres Planungsdezernenten Mike Josef wurde es möglich, die Arbeitsplätze aller Beschäftigten bei Karstadt auf der Zeil bis 2025 zu sichern. Das gibt uns Hoffnung, dass mit Solidarität, mit gutem Willen und Verantwortungsbereitschaft auf allen Seiten doch noch etwas zum Besseren gewendet werden kann.