Ende Februar traf mich eine Meldung wie ein Schlag: Angestellte des Dienstleistungsunternehmens WISAG traten in den Hungerstreik. Ein letztes Mittel, das ihnen blieb, um auf ihre tragische Situation aufmerksam zu machen. Im Dezember letzten Jahres hatte man 230 Beschäftigten gekündigt. Weitere 31 Busfahrerinnen und Busfahrer warten seit Oktober 2020 auf ihre Lohnfortzahlung. Es macht mich persönlich betroffen, wenn ich sehe, dass ehemalige Angestellte zu solch drastischen Maßnahmen wie einem Hungerstreik greifen müssen. Dabei muss uns allen klar sein, dass die Entlassung der Beschäftigten am Frankfurter Flughafen nur eine erste radikale Antwort auf den Einbruch der Flugzahlen ist.
Noch lange kein Flugverkehr wie vor Corona
Nach dem Ausbruch der Pandemie im vergangenen Jahr gab es immer wieder die leise Hoffnung, dass wir uns bald wieder wie gewohnt mit dem Flugzeug fortbewegen können, sei es wegen Urlaubsreisen, Wochenendtrips oder Geschäftsmeetings – wobei die Diskussion um die letzten beiden Beispiele eine andere ist… Wir dachten, dass sich das Flugaufkommen normalisieren und der Flughafen in absehbarer Zeit die gleichen Zahlen schreiben würde wie vor der Corona-Krise. Ich möchte kein Spielverderber sein, aber das sehe ich ganz und gar nicht.
Der Luftverkehr leidet massiv unter der Pandemie und das wird wohl noch lange so weitergehen. Dafür sprechen auch die aktuellen Zahlen und der Ausblick des Flughafenbetreibers Fraport. Stefan Schulte, der Vorstandsvorsitzende der Fraport AG rechnet damit, dass es noch bis 2025 dauern wird, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht ist. 2020 lag die Zahl der Fluggäste am Frankfurter Flughafen bei nur 73,4 Prozent verglichen mit den Zahlen des Vorjahrs. Mit Beginn der Corona-Pandemie gingen die Passagierzahlen ab Mitte März massiv zurück. Zwischen April und Juni kam der Flugverkehr weitgehend zum Erliegen. Am größten deutschen Flughafen rechnet man auch in diesem Jahr mit stark eingeschränkten Passagierzahlen. Ein großes Problem, das bei der Diskussion um den Flugverkehr weniger beachtet wird, sind die Arbeitsplätze, die in Verbindung mit dem Flugaufkommen stehen. Sie sind stark gefährdet. Bis 2021 will Fraport bis zu 4.000 Stellen abbauen, das wäre fast jeder fünfte Arbeitsplatz.
Arbeitsplätze am Frankfurter Flughafen sichern
Diese Zahlen sollten uns warnen! Keinesfalls können wir die Krise auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer austragen. Wir brauchen für diese Menschen einen Plan! Zudem müssen wir uns fragen, ob man sich überhaupt denselben Flugverkehr wie vor der Pandemie zurückwünscht. Wir haben unsere nächste Umgebung zu schätzen gelernt und miterlebt, wie es sein kann, in Oberrad einmal ungestört im Park zu sitzen, ohne dass uns die Flieger über die Köpfe hinweg donnern. Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass unsere gesellschaftlichen Strukturen nach Corona andere sein werden. Wir werden – nach einer ersten Reiseeuphorie – nicht mehr so häufig in den Flieger steigen wie vor der Pandemie. Und das ist auch gut so! Es liegt an uns, auf den geringeren Flugverkehr zu reagieren und dafür zu sorgen, dass Arbeitsplätze am Flughafen nicht einfach wegfallen. Wir müssen den Angestellten Perspektiven bieten, denn die Ungewissheit ist für uns alle in der Corona-Krise eine der größten Sorgen. Die Angst, den Job zu verlieren, steht dabei ganz oben. Ich halte es sogar für realistisch, den Ausbau von Arbeitsplätzen voranzutreiben. Dass wir uns hier für Jobs mit guten Arbeitsbedingungen einsetzen, ist klar. Darüber wie das geschehen könnte, haben wir uns als SPD-Fraktion bereits Gedanken gemacht…
Für Vielseitigkeit am Frankfurter Flughafen
Wir möchten den Flughafen nicht mehr allein als Flugdrehkreuz betrachten, denn er kann mehr. Wir müssen uns von der konservativen Idee des Start- und Landeplatzes lösen. Daher streben wir eine Vielseitigkeit des Flughafens an. Das bedeutet, die Entstehung neuer Branchen am Flughafen. Somit können wir Arbeitsplätze erhalten und sogar weiter ausbauen. Der Flughafen könnte Veranstaltungs-/ Shopping- und Ort des Flanierens und Verweilens zugleich sein. Es ist nicht gesagt, dass in Zukunft nur diejenigen unseren Flughafen aufsuchen werden, die wegen ihrer anstehenden Reise dorthin müssen. Er soll ein Ort werden, an dem wir gerne und öfters verweilen – nicht nur zu Beginn oder zum Ende einer Reise. Dafür kommt die Idee wie gerufen, am Flughafen einen Veranstaltungsort für Sport- und Kulturevents zu erbauen. Das Projekt der Multifunktionsarena am Flughafen ist bestens dafür geeignet. Sogar die Anbindung an die City ist für Sport- und Kulturfans ideal. Wo kann man sonst innerhalb von 12 Minuten von einem der weltweit größten Flughäfen direkt in der Innenstadt sein? Und auch die Anbindung mit dem Zug zu anderen größeren Städten Deutschlands ist ausgezeichnet. Wer weiterhin meint, der Flughafen sei nur der Zwischenstopp bei einer Reise, nimmt die Krise und ihre Auswirkungen auf das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger nicht ernst genug. Wir haben nicht nur Deutschland als ein beliebtes Reiseziel wiederentdeckt, sondern auch Unternehmen haben endlich erkannt, dass professionell geführte Videokonferenzen durchaus Inlands-, ja gar Auslandreisen, bestens ersetzen. Dieser Trend der Digitalisierung wird anhalten. Wir sollten diesen Trend auch nutzen, um unsere klimapolitischen Ziele weiter voranzutreiben. Gleichzeitig müssen wir den Menschen soziale Perspektiven bieten. Konkret bedeutet dies für den Flughafen: Wenn der Flugverkehr abnimmt, – was sich positiv auf unsere Umwelt auswirkt – dadurch jedoch tausende von Stellen in Verbindung mit dem Flugaufkommen wegbrechen, ist es eben auch unsere Aufgabe, diesen Menschen alternative Jobmöglichkeiten zu geben. Damit sollten wir möglichst schnell beginnen und den Flughafen deshalb auf breite Füße stellen.