Die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG muss mehr Verantwortung beim Bau und der Vermietung preisgünstiger Wohnungen übernehmen

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG muss mehr Verantwortung beim Bau und der Vermietung preisgünstiger Wohnungen übernehmen

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Fraktionsvorsitzende und Geschäftsführerin. Außerdem Stadtverordnete für die Ausschüsse Ältestenausschuss, Controlling und Revision, Hauptausschuss und Finanzen sowie Soziales und Gesundheit

Interview von Ursula Busch mit Almuth Meyer und Simon Witsch

Almuth Meyer und Simon Witsch sind seit der Kommunalwahl im Frühjahr 2021 Mitglieder der SPD-Fraktion im Römer. Beide sind Mitglied im Ausschuss für Planen, Wohnen und Städtebau. In diesem kleinen Interview erläutern beide, wie in Zukunft mehr bezahlbare Wohnungen entstehen sollen. Das Interview führte Ursula Busch, die Fraktionsvorsitzende der SPD im Römer.

Ursula Busch:
Almuth, Du bist neue wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion und Du, Simon, bist planungspolitischer Sprecher. Wo seht ihr die Schwerpunkte eurer Arbeit?

Almuth Meyer:
Der bessere Schutz für die Mieterinnen und Mieter steht bei mir im Vordergrund der Arbeit. Ich selbst bin vor einigen Jahren Opfer eines Investors geworden, der unser Haus erworben und dann mit allen Mitteln versucht hat, uns Bestandsmieter aus ihre unseren Wohnungen zu vertreiben. Leider hatte er damit letztendlich Erfolg. Diese Erfahrung hat mich geprägt und zur Politik gebracht. Mieterinnen und Mieter dürfen nicht zum Spielball von Investoreninteressen werden, die Stadt Frankfurt trägt hier auch eine Verantwortung ihren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber und muss versuchen sie möglichst gut vor Verdrängung zu schützen.

Simon Witsch:
Ein zentraler Grund für den erheblichen Mangel an bezahlbaren Wohnungen in Frankfurt ist die Tatsache, dass über viele Jahre hauptsächlich teure Luxus-wohnungen gebaut wurden, statt bezahlbarer Wohnungen für alle. Das hat mich schon als Schüler und später als Student geärgert. Das ist einer der entscheidenden Gründe, warum ich mich nun um die Planungspolitik in Frankfurt kümmern will.

Ursula Busch:
Wieso sind denn so viele teure Wohnungen entstanden?

Simon Witsch:
Frankfurt hat in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom erlebt und viele Menschen sind in unsere Stadt gezogen. Die Nachfrage nach Wohnraum war also sehr hoch und viele Investorinnen und Investoren wollten davon profitieren. Sie haben Grundstücke zu immer höheren Preisen erworben und wollten dann auch die entsprechenden Renditen erzielen. Renditen sind die Erträge, die man durch eine Geldanlage erhält. Also in dem Fall durch den Verkauf von Eigentumswohnungen, so dass Investoren nach Kauf eines Grundstücks und dem Bau eines Hauses nicht auf den Kosten sitzen bleiben, sondern Gewinne erzielen. Viele Investoren hatten und haben gar kein Interesse daran, die gebauten Wohnungen im Eigentum zu erhalten und zu vermieten.

Ursula Busch:
Aber auch die Politik trifft eine Teilschuld an der Entwicklung, oder?

Almuth Meyer:
In der Tat hätte die Politik zum Beispiel viel früher die Schaffung von Baurecht mit der Pflicht zum Bau von geförderten Wohnungen verknüpfen müssen. Erst auf Druck der Frankfurter SPD ist es im Jahr 2019 gelungen, mit dem Baulandbeschluss solche Quoten verbindlich festzuschreiben. Vorher gab es einfach zu viele Ausnahmen.

Ursula Busch:
Die neue Koalition in Frankfurt hat sich nun darauf verständigt, bei diesen Quoten nochmal nachzubessern. Erklärt doch bitte mal die neuen Vereinbarungen.

Simon Witsch:
Zukünftig soll es immer dann, wenn neues Baurecht geschaffen wird, eine verbindliche Quote von 50 Prozent für den sozialen Wohnungsbau geben – bisher lag diese Quote nur bei 30 Prozent. Zudem sollen 15 Prozent der neuen Wohnungen für gemeinschaftliche und genossenschaftliche Wohnprojekte reserviert sein. Und wir haben erstmals auch eine Quote von 5 Prozent, unter anderem für Studierende, Auszubildende und weitere Personen mit dringendem Wohnungsbedarf vereinbart. Streichen werden wir dafür die von der CDU gewünschte Quote für preisreduzierte Eigentumswohnungen.

Ursula Busch:
Aber Eigentumswohnungen haben doch auch Vorteile?

Almuth Meyer:
Preisreduzierte Eigentumswohnungen würden aus unserer Sicht allenfalls einen Mitnahmeeffekt auslösen. Das bedeutet, dass mit der finanziellen Unterstützung von Eigentumswohnungen wieder vor allem diejenigen in den Genuss der Förderung kämen, die bisher auch schon in der Lage waren, sich eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen. Wir müssen die Unterstützung aber stärker auf diejenigen konzentrieren, die es wirklich nötig haben und auf dem freien Markt nicht einmal mehr eine bezahlbare Mietwohnung finden.

Ursula Busch:
Wird denn der bestehende Baulandbeschluss nun sofort geändert?

Simon Witsch:
Wenn es nach mir ginge, dann lieber heute als morgen. Allerdings werden jetzt erst die ersten Projekte, die auf dem alten Baulandbeschluss basieren, genehmigt und ihr Bau beginnt. Wir müssen den Bauwilligen Planungssicherheit geben und können die Vorgaben nicht sofort anpassen. Spätestens ab dem Jahr 2023 sollten sich alle neue Bauvorhaben aber an den neuen Quoten orientieren.

Ursula Busch:
Aber die Erwartung bei den Bürgerinnen und Bürgern ist riesengroß, dass bald mehr günstiger Wohnraum entsteht. Wie soll das klappen?

Almuth Meyer:
In Frankfurt haben wir das große Glück, dass Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG nicht wie in Leipzig oder Berlin verkauft wurden und sich weiterhin im Besitz der Stadt befinden. Wir wollen, dass die ABG und möglichst auch die Nassauische Heimstätte, an der die Stadt Frankfurt und das Land Hessen beteiligt sind, in Zukunft noch viel mehr Verantwortung beim Bau und der Vermietung von preisgünstigen Wohnungen übernehmen.

Ursula:
Wie soll das geschehen?

Simon Witsch:
Für die ABG wird es keine lange Übergangsfrist bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags geben. Wir haben mit unseren Partnern von Grünen, Volt und FDP schon einen Antrag in Arbeit, der die ABG dazu verpflichtet, 60 Prozent aller neuen Wohnungen als geförderte Wohnungen zu errichten. 40 Prozent sollen klassische Sozialwohnungen sein und 20 Prozent richten sich an Menschen mit geringem Einkommen, die keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben.
Zudem wollen wir sicherstellen, dass für jede vierte freiwerdende Wohnung ohne Sozialbindung die Belegrechte an die Stadt übergehen. Natürlich sollen bereits vorhandene Belegrechte oder Sozialbindungen verlängert werden. Auch werden wir die bisherige Begrenzung des Mietpreisanstiegs von max. 1 Prozent pro Jahr um weitere 10 Jahre verlängern. Die genauen Unterschiede zwischen Sozialwohnungen und geförderten Wohnraum sowie die Sozialbindung hatten wir schon einmal in einem Blog erklärt. Mehr dazu hier.

Ursula Busch:
Wird die ABG das einfach so machen?

Almuth Meyer:
Das kann die ABG nicht selbst entscheiden. Ich gehe davon aus, dass es im Aufsichtsrat schon eine Mehrheit für diese Vorgaben gibt. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, könnte die Stadt die ABG über einen Gesellschafterbeschluss entsprechend anweisen, so dass es anschließend wie beschrieben umgesetzt wird.

Ursula Busch:
Im Vorfeld hatten einige Parteien gefordert, dass die ABG ausschließlich geförderte Wohnungen baut – das ist nicht geplant?

Simon Witsch:
Das ist auf den ersten Blick eine attraktive Idee, bringt uns aber in der Realität nicht weiter. Es muss für alle Projektentwickler verpflichtend sein, bezahlbaren Wohnraum zu realisieren. Dies darf nicht nur Aufgabe der öffentlichen Wohnungsgesellschaften sein. Die ABG könnte bei einer 100% Quote weniger Wohnungen bauen, wodurch unter dem Strich weniger geförderter Wohnraum entstehen würde. Bauen ist mittlerweile sehr teuer, neben den Grundstückspreisen steigen auch die Baukosten enorm. Die ABG könnte am Markt weder Grundstücke in attraktiver Lage kaufen, noch eine angemessene Anzahl an Wohnungen bauen. Geförderte Wohnungen gehören aber in jeden Stadtteil.

Almuth Meyer:
Die ABG ist ein echter Glücksfall für die Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt, wir wollen, dass dies auch dauerhaft so bleibt. Natürlich ist es eine zentrale Aufgabe der ABG geförderte Wohnungen anzubieten, allerdings sind auch die freifinanzierten Wohnungen der ABG in der Regel deutlich günstiger, als vergleichbare Wohnungen privater Anbieter. Es kann nicht sein, dass sich die privaten Investoren die Rosinen rauspicken und die Verantwortung für den Bau geförderter Wohnungen ausschließlich der ABG überlassen.

Ursula Busch:
Vielen Dank für das Gespräch und den Einblick in eure Arbeitsbereiche.

Bildquelle: Rawpixel via Envato Elements

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